Feministin mit Lieblingsfarbe Rosa

 

I call myself a feminist.

 

Aber ich glaube, das tun nicht viele. Und auch nicht viele Frauen. Weil sie verunsichert sind. Weil sie denken, dass sie sich dafür viel aktiver engagieren müssten. Weil sie keine Lust auf Konfrontation haben oder meinen, zu schwach dafür zu sein. Weil sie den Begriff mit dem negativen Ruf verbinden, der leider häufig mit ihm einhergeht. Denn eigentlich lieben sie Männer doch und sie würden auch gerne heiraten und Kinder bekommen und weniger arbeiten als ihr Zukünftiger. Weil sie die Frauen, die in der Öffentlichkeit als Feministinnen auftreten, zu extrem finden. Weil Rosa ihre Lieblingsfarbe ist.

 

Ich kann die Verunsicherung verstehen. Aber ich finde sie unberechtigt.

Und möchte sie gerne aus der Welt schaffen.

 

Denn meiner Meinung nach steckt hinter der Bewegung des Feminismus das Ziel, für die richtigen Bedingungen zu sorgen, unter denen Frauen und auch alle anderen Geschlechter selbstbestimmt leben können, und Gleichberechtigung zu erreichen. Das Ziel ist weder, dafür das männliche Geschlecht auszugrenzen und zu unterdrücken, noch, bestimmte Lebensentwürfe zu verbieten. Wer das glaubt, hat meiner Meinung nach ungefähr alles falsch verstanden, was an Feminismus nur falsch verstanden werden kann. Und wer diese Ziele verfolgt, ist kein*e Feminist*in, sondern Faschist*in.

 

Fälschlicherweise wird häufig behauptet, dass der Feminismus Frauen über Männer heben möchte, weil vorrangig mehr Rechte für die weibliche Bevölkerung gefordert werden. Deshalb wollen sich viele Männer gar nicht erst anschließen geschweige denn damit beschäftigen. Sie werden von den Feministinnen ja eh nur davon gejagt. Dabei müsste doch einleuchten, dass Frauen und deren Rechte erst einmal auf die Stufe, auf der sich die Männer befinden, gelangen müssen. Sie müssen zwangsläufig erst einmal hochgehoben werden. Es muss zwangsläufig erst einmal viel für Frauen getan werden, damit irgendwann einmal ansatzweise die gleiche Stufe, also Gleichberechtigung erreicht ist. Und dabei sind die Rechte derer, die eines ganz anderen oder keines Geschlechts sind, noch gänzlich unbeachtet. Denn ich sehe es als grundsätzliche Aufgabe von Feminist*innen, sich für alle bisher benachteiligten Geschlechter und deren Rechte einzusetzen.

 

Selbstbestimmtheit für alle

 

Es geht doch darum, allen Geschlechtern Selbstbestimmtheit zu ermöglichen. In jedem Bereich des Lebens. Wieso also solltest du als Feminist*in nicht deinen Mann lieben, ihn heiraten, fünfzig Kinder und doppelt so viele Enkelkinder bekommen, und dein Leben deinen Kindern anstatt deiner Arbeit widmen dürfen? Genauso solltest du aber eben auch nicht heiraten, keine Kinder bekommen, all deine Energie in deine Arbeit stecken dürfen (und davon gut leben können). Oder einen wieder ganz anderen Lebensentwurf wählen. Und bei all dem sollte dir weder Staat noch Gesellschaft wegen deines Geschlechts Grenzen aufzwingen. Ganz einfach: Du solltest dich frei entscheiden dürfen und das absolut unabhängig von deinem Geschlecht. Denn, ob Penis, Vulva, beides oder keins von beidem, hat nun einmal nichts, aber auch gar nichts damit zu tun.

 

Natürlich gibt es wie in jeder Bewegung, die versucht, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen, um diese aufzulösen, Extreme. Frauen, die Männer dafür hassen, dass sie sie Jahre lang unterdrückt haben. Oder Frauen, die andere Frauen dafür hassen, dass sie sich für ein Leben als Ehefrau und Mutter entscheiden. Aber diese sollten eben auch im Feminismus als Extreme, als Ausnahmen betrachtet werden und nicht als Beispiele für Feminist*innen herangezogen werden. 

 

Jede*r kann mitmachen

 

Und Feminist*in zu sein bedeutet auch nicht, laut schreiend bei jeder Demo in der ersten Reihe stehen und ständig neue Petitionen starten zu müssen. Nein, jede*r kann auf seine oder ihre Art entscheiden, wie er oder sie etwas zur Bewegung, zur Veränderung beitragen möchte. Denn eine Bewegung, die für Entscheidungsfreiheit steht, lässt im besten Fall auch denen, die sich engagieren wollen, die freie Entscheidung darüber, wie sie sich engagieren wollen.

 

Du kannst anfangen, in deinen Whats App Nachrichten oder Mails sprachlich zu gendern. Und dass mir der Begriff "gendern" hier gerade rot unterringelt wird, sagt ja schon alles. Du kannst deinem ach so witzigen Onkel am ersten Weihnachtsfeiertag endlich mal deine Meinung zu seinen sexistischen Witzen mitteilen, mit oder ohne ein paar Gläschen Eierlikör vorher. Du kannst aufhören, deinem Sohn auszureden, sich Kleidchen anzuziehen, und deinen Mann dazu ermutigen, seine Gefühle zu zeigen. Du kannst Frauen in deinem Umfeld, die sich für einen alternativen Weg entscheiden, unterstützen anstatt hinter ihrem Rücken über sie zu lästern. Du kannst dich bei der Frau entschuldigen, bei der du das gestern noch getan hast. Du kannst dich genauer über Feminismus informieren, Veranstaltungen besuchen und Gespräche dazu anstoßen. Du kannst dich für Gleichberechtigung in deinem Unternehmen einsetzen.

 

Du kannst so viel tun. Und jeder noch so kleine Schritt zählt. Du musst nicht alles auf einmal machen und nichts davon perfekt. Und dich trotzdem als Feminist*in bezeichnen, denn das ist, was du bist, wenn du das denkst, was ich denke und oben beschrieben habe.

 

Bei all dem sind für mich der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung unter Frauen am wichtigsten. Und ich sage bewusst "Frauen", denn unter Frauen ist Zusammenhalt leider immer noch nicht der Normalfall. Wenn wir Unterstützung, Wertschätzung und Liebe spüren, fühlen wir uns sicher. Sicher genug, um aufzustehen und den Mund aufzumachen. Gegenseitiger Support ist die wichtigste Grundlage für eine Bewegung, die etwas bewegen soll. Und deshalb werde ich weiter Zeilen wie diese schreiben, um irgendwann von vielen Frauen gemeinsam diese Worte zu hören:

 

We call ourselves feminists.