Von Tagen, die von drinnen schöner aussehen

 

Ein Tag, der mich nicht zufriedenstellt. Ein Tag, an dem ich nicht getan habe, was ich tun wollte. Ein Tag, an dem ich mehr gelegen und gedacht als gesessen und getan habe. Ein Tag, an dem ich nur von drinnen rausgeschaut habe. Ein Tag, an dem ich nicht teilgenommen habe.

 

Ich war nicht produktiv. Ich war passiv. Ich war nicht draußen. Ich war drinnen. Ich habe nichts geleistet und nichts beigetragen. Ich habe die Gedanken gedacht, die gekommen sind. Ich habe nicht gekocht. Ich habe eine Pizza in den Ofen geschoben, die ich nur zur Hälfte gegessen und die andere Hälfte durch ein Mandarine ersetzt habe. Ich habe mich nicht bewegt. Ich habe die meiste Zeit herumgelegen. Ich war nicht kommunikativ. Ich war still und bin dann wieder in mein Zimmer.

 

Ich kann nicht nicht teilnehmen.

 

Das weiß ich. Zumindest, solange ich lebe. Mein Leben findet jede Sekunde statt. Bis es das irgendwann nicht mehr tut. Ich habe mir das Versprechen gegeben, dass ich dieses riesige Geschenk Leben wertschätzen und mit all seinen Möglichkeiten vollkommen auskosten möchte. Es wie eine Zitrone auspressen möchte. Aber heute habe ich es nicht getan. Heute habe ich nichts wertgeschätzt und nichts ausgepresst. Und trotzdem gelebt.

 

Ich setze mich unter Druck, weil ich mein eigenes Versprechen nicht zu halten scheine. Und finde mich in einer Zwickmühle wieder, die mir von der einen Seite zuflüstert, auf meine Bedürfnisse zu hören und lieb zu mir zu sein und Pause zu machen, wenn ich es möchte. Und auf der anderen Seite der Mühle hängt ein Schild, auf das in fetten Großbuchstaben mein Versprechen gedruckt ist und das mir zuzuraunen scheint, dass ich nie weiß, wann es vorbei ist. Immer diese Zwickmühlen. Fühlen sich an wie meine eigenen, selbst gebauten Fallen. Zermürbend.

 

Aber es ist nun einmal so, dass ich auch zwischen tausend Zwickmühlen immer noch lebe. Jeden Tag. Egal, was ich getan oder nicht getan habe. 

 

Manche Tage sehen von drinnen einfach schöner aus.

 

Und das ist okay. Ich habe solche Tage mal als "zum in die Tonne klopfen" bezeichnet. Aber das möchte ich über Heute nicht sagen. In der Tonne sähe er nämlich überhaupt nicht mehr schön aus. Mir gefällt der Gedanke, dass andere Leute den Tag heute von draußen gesehen, gespürt und so richtig erlebt haben. Dass der Tag für andere einfach richtig gut war. Ich war ja auch da, habe nur von drinnen zugeschaut.

 

Vielleicht ist es viel eher das Versprechen, das ich mir geben will: Dass ich jeden Tag als Tag wahrnehme und keinen mehr in die Tonne klopfe und damit vergesse. Dass ich wertschätze, dass mir jeden Morgen ein neuer Tag geschenkt wird. Aber es trotzdem okay ist, wenn ich ab und zu andere dieses Geschenk auspacken lasse und ihnen dabei zuschaue. Wenn ich andere diese Zitrone auspressen lasse und mich über ihre wegen des sauren Saft verzogenen Gesichter freue. Und stattdessen Pizza und Mandarinen esse. Dass jeder Tag okay so ist wie er ist und auf seine eigene Art gut. Dass kein Tag mehr wert ist als der andere.

 

Dass ich bei allem einfach nie vergesse, dass ich lebe.

 

Denn Leben bedeutet auch, hier zu sitzen und unzufrieden zu sein. Mich teilnahmslos zu fühlen und nicht geredet, nicht gekocht, nicht geleistet zu haben. Leben bedeutet auch, einen ganzen Tag lang nur Gedanken zu denken. Leben bedeutet auch, diese riesige Vielfalt an Gefühlen zu fühlen. Leben ist Leben und geht immer so weiter. 

 

Mag sein, dass ich irgendwann die Dinge bereue, die ich nicht getan habe. Aber jetzt ist nicht irgendwann. Und ist es nicht irgendwie wichtiger, das Jetzt so anzunehmen wie es ist anstatt mich jetzt schon drüber zu ärgern? Ärgern kann ich mich später. Lieber akzeptiere ich den Tag, der hinter mir liegt, mit seiner Passivität und seltsamen, leicht deprimierten Stimmung, als mich darüber zu ärgern. Lieber umarme ich den Tag und mich und schenke uns zum Abschied ein Lächeln als grummelnd einzuschlafen.

 

Denn dann hat der Tag morgen eine viel größere Chance, anders zu werden. Vielleicht sogar gut. Oder auch nicht.